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Forderungsbeitreibung in der EU

Trotz umsichtiger Vertragsgestaltung und ordnungsgemäßer Leistungserbringung sehen sich immer mehr deutsche Unternehmen mit der unangenehmen Tatsache konfrontiert, dass ihr ausländischer Vertragspartner die Rechnung nicht bezahlt.

Wenn außergerichtliche Einigungsversuche und Mahnschreiben, gegebenenfalls auch unter Beteiligung einer deutschen Auslandshandelskammer, erfolglos geblieben sind, liegt der Gedanke an eine gerichtliche Beitreibung der Schulden nahe. Bevor man sich allerdings für eine gerichtliche Lösung entscheidet, sollten die Vor- und Nachteile eines solchen Vorgehens sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Hierzu empfiehlt es sich vorab einen Blick in die Vertragsunterlagen zu werfen. Insbesondere bei Verträgen mit ausländischen Partnern sind hier die Bereiche "Rechtswahl / Anwendbares Recht" und "Gerichtsstand" von großer Bedeutung. Beide Punkte können zwischen Kaufleuten regelmäßig frei vereinbart werden und wirken sich unmittelbar auf den Aufwand und die Kosten für eine gerichtliche Geltendmachung der Forderung aus.

Die nachstehenden Informationen sollen deutschen Unternehmen, welche Geldforderungen gegenüber Geschäftspartnern im EU-Ausland haben, einen komprimierten Überblick über die vier wesentlichen EU-Instrumente zur gerichtlichen Beitreibung von Außenständen verschaffen und ihnen eine Entscheidungshilfe zur Wahl des geeigneten Verfahrens an die Hand geben.

Auf Geldforderungen gerichtete Klagen in der EU

Zunächst soll der klassische Fall, die reguläre Leistung der fälligen Zahlung vor Gericht, kurz erläutert werden. 

1.1 Rechtsgrundlagen für auf Geldforderungen gerichteten Klagen in der EU

Soll eine derartige Klage erhoben werden, muss zunächst festgestellt werden, welches Gericht örtlich hierfür zuständig ist. Innerhalb der EU  gelten hierfür die Art. 4 ff. der  Verordnung (EU) 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (abgekürzt: „EuGVVO“, oder „Brüssel Ia-VO").

Nach der Feststellung der örtlichen Zuständigkeit richtet sich der Prozessablauf nach den jeweiligen nationalen Vorschriften des Landes des angerufenen Gerichts, über welche das Europäische Justizportal einen guten Überblick bietet.

1.2 Anwendbarkeit von auf Geldforderungen gerichteten Klagen in der EU

Grundsätzlich können im Rahmen regulärer Gerichtsverfahren Geldforderungen in der gesamten EU in unbegrenzter Höhe von gewerblichen und - mit Sonderregelungen - von privaten Schuldnern eingeklagt werden.

1.3 Verfahrensablauf von auf Geldforderungen gerichteten Klagen in der EU

Vereinfacht dargestellt, werden von dem angerufenen Gericht zunächst das Vorhandensein und die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen geprüft. Sind diese wirksam, so ist das Gericht an dem von den Parteien vereinbarten Ort ausschließlich zuständig. Ist keine - auch keine konkludente - Gerichtsstandsvereinbarung getroffen bzw. diese nicht wirksam, so ist im Regelfall das Gericht am Wohn- bzw. Geschäftssitz im Mitgliedstaat des Beklagten, hier also des Schuldners, zuständig.

Für einen deutschen Gläubiger kommen also grundsätzlich zwei Szenarien in Frage: einerseits die Klage vor einem deutschen Gericht, wenn eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung existiert und andererseits die Klage vor einem Gericht in einem anderen Mitgliedstaat wenn dies nicht der Fall ist. Durch die VO (EU) 1215/2012 wird gewährleistet, dass deutsche Urteile im EU-Ausland anerkannt werden und auf Antrag durch die dort zuständige Stelle für vollstreckbar erklärt werden können. Bei in Deutschland erlangten Vollstreckungstiteln, die im EU-Ausland vollstreckt werden sollen, empfiehlt sich die unter Punkt 2. beschriebene zusätzliche Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel.

1.4 Kosten von auf Geldforderungen gerichteten Klagen in der EU

Die bei Klageverfahren in Deutschland und im EU-Ausland zu entrichtenden Gerichtsgebühren sowie eventuelle Anwaltshonorare unterliegen den jeweils national einschlägigen Regelungen. Auch hierfür bietet das Europäische E-Justizportal eine erste Orientierungshilfe.

1.5 Vorteile von auf Geldforderungen gerichteten Klagen in der EU

Vorteilhaft in diesem Beitreibungsverfahren ist, dass auf Geldforderungen gerichtete Klagen grundsätzlich in allen EU-Staaten möglich sind, keine Obergrenze hierfür existiert und die Anerkennung der Urteile (nicht deren Vollstreckung) innerhalb der EU gewährleistet ist.

1.6 Nachteile von auf Geldforderungen gerichteten Klagen in der EU

Von großem Nachteil ist, dass dem deutschen Gläubiger die nationalen Vorschriften über die gerichtlichen Prozesse (Ablauf, Kosten, Dauer, Vollstreckung, etc.) im EU-Ausland in der Regel nicht bekannt sind und er der Sprache häufig nicht hinreichend mächtig ist. Deshalb wird in den meisten Fällen, auch wenn dies nicht explizit vorgeschrieben ist, ein Rechtsanwalt vor Ort eingeschaltet werden müssen, was weiteren finanziellen Aufwand nach sich zieht. Zudem enthält die VO (EU) 1215/2012 keine Vereinheitlichungen hinsichtlich der Kostentragungspflicht und der prozessualen Fristen. Bei in Deutschland erlangten Titeln ist zusätzlich ein Zwischenverfahren im Vollstreckungsmitgliedstaat erforderlich, sofern kein Europäischer Vollstreckungstitel (s. u.) vorliegt.

Der Europäische Vollstreckungstitel

Beim Europäischen Vollstreckungstitel handelt es sich nicht um einen Titel aus einem eigenständigen Gerichtsverfahren, sondern vielmehr um einen Zusatz für in einem EU-Mitgliedstaat erlangte Titel. Dadurch sollen die Urteilsfreizügigkeit und die grenzüberschreitende Vollstreckung im EU-Gebiet vereinfacht und beschleunigt werden. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass die Zwangsvollstreckung aus Titeln, die in anderen Mitgliedstaaten als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden sind, innerhalb Deutschlands möglich ist.

Wie bereits unter Punkt 1.3 beschrieben, werden gerichtliche Urteile innerhalb der EU zwar regelmäßig anerkannt, zur Vollstreckung muss allerdings ein Zwischenverfahren ("Exequaturverfahren") im Vollstreckungsmitgliedstaat durchgeführt werden, welches bei einem Europäischen Vollstreckungstitel entfällt.

2.1 Rechtsgrundlagen des Europäischen Vollstreckungstitels

Die VO (EG) Nr. 805/2004 über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen („EuVTVO“) ist seit Oktober 2005 gültig. Mit dieser Verordnung wurden für die  Mitgliedstaaten der Europäischen Union einheitliche Mindestvorschriften geschaffen, die die Vollstreckung von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden über unbestrittene Forderungen in der EU gewährleisten soll.

2.2 Anwendbarkeit des Europäischen Vollstreckungstitels

Der Europäische Vollstreckungstitel ist innerhalb aller EU-Mitgliedstaaten - mit Ausnahme Dänemarks - in allen Zivil- und Handelssachen gegenüber Unternehmern und mit Besonderheiten gegenüber Verbrauchern anzuwenden. Ausdrücklich nicht erfasst sind Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte. Die Verordnung ist zudem nicht anzuwenden auf den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts,  Insolvenzen, Vergleiche und ähnliche Verfahren, die soziale Sicherheit und die Schiedsgerichtsbarkeit (vgl. Art. 2 EuVTVO).

Wichtigste Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist die Unbestrittenheit der Forderung. Eine Forderung gilt im Sinne der Verordnung als unbestritten, wenn der Schuldner

  • der Forderung im Gerichtsverfahren durch Anerkenntnis oder durch einen gerichtlichen Vergleich zugestimmt hat,
  • der Forderung im Einklang mit den einschlägigen Verfahrensvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats zu keiner Zeit widersprochen hat,
  • nicht zur Verhandlung erschienen ist und sich nicht hat vertreten lassen, obwohl er die Forderung zuvor bestritten hat, wenn dieses Verhalten nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates als stillschweigendes Zugeständnis zu werten ist oder
  • die Forderung ausdrücklich in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hat.
2.3 Verfahrensablauf des Europäischen Vollstreckungstitels

Nachdem ein nationaler Vollstreckungstitel in einem Mitgliedstaat erlassen wurde und die unter 2.2 beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich der Gläubiger diesen anhand eines Formulars von der jeweils zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung zuständigen Stelle  als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen lassen. Daraus kann dann unmittelbar im Mitgliedstaat des Schuldners vollstreckt werden, der Europäische Vollstreckungstitel wird dabei behandelt wie ein Vollstreckungstitel des jeweiligen Mitgliedstaates. Es wird keine förmliche Vollstreckbarkeitserklärung mehr benötigt und der Schuldner kann sich nicht mehr auf Gründe zur Versagung der Anerkennung des Urteils in seinem Mitgliedstaat berufen. Für das Vollstreckungsverfahren selbst gilt das Recht des Mitgliedstaats, in dem vollstreckt werden soll. Den zuständigen Vollstreckungsbehörden im EU-Ausland muss der Gläubiger, bzw. dessen Anwalt, Folgendes vorlegen:

  • eine Ausfertigung der Entscheidung,
  • eine Ausfertigung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel,
  • eine Übersetzung dieser Bestätigung in die Amtssprache des vollstreckenden Mitgliedstaates oder eine andere Sprache, die dieser Staat zulässt.
2.4 Kosten des Europäischen Vollstreckungstitels

Die Kosten für die Bestätigung eines deutschen Urteils als Europäischer Vollstreckungstitel durch ein deutsches Gericht betragen im Zivilprozess derzeit 20,00 Euro. Für Hinweise zu den zu erwartenden Kosten der Vollstreckung im jeweiligen EU-Ausland finden Sie Übersichten über jeden Mitgliedstaat im Europäischen E-Justizportal.

2.5 Vorteile des Europäischen Vollstreckungstitels

Diese Vorgehensweise bringt Gläubigern insofern einen spürbaren Vorteil, als dass sie im Ausland eine Vollstreckung betreiben können, ohne die Gerichtsbarkeit des Vollstreckungsmitgliedstaates mit den daraus entstehenden Verzögerungen und Kosten in Anspruch nehmen zu müssen. Gleichzeitig sind die Kosten und der Aufwand zur Erlangung des zusätzlichen Titels in Deutschland überschaubar.

2.6 Nachteile des Europäischen Vollstreckungstitels

Um aus einem Europäischen Vollstreckungstitel im EU-Ausland vollstrecken zu können, sind die verfahrensrechtlichen Vorschriften - insbesondere im Bereich der Zustellung - genau zu beachten, was im Ausland gegebenenfalls zu Verzögerungen führt. Des Weiteren ist der Europäische Vollstreckungstitel nur auf einen sehr eingeschränkten Bereich anwendbar und enthält weder einheitliche Fristen noch Kosten oder Verfahrensabläufe für die Vollstreckung.

Das Europäische Mahnverfahren

Da die Nachteile einer regulären Klage vor Gericht, selbst unter Berücksichtigung des Europäischen Vollstreckungstitels, Geschäfte innerhalb der EU erschweren, hat sich der europäische Gesetzgeber an den deutschen Regelungen zum gerichtlichen Mahnverfahren orientiert und das Europäische Mahnverfahren ("Europäischer Zahlungsbefehl") ins Leben gerufen.

3.1 Rechtsgrundlagen des Europäischen Mahnverfahrens

Das mittels der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 geschaffene Verfahren ermöglicht es dem Gläubiger auf vereinfachtem und beschleunigtem Wege durch ein EU-weit größtenteils harmonisiertes Verfahren mit einheitlichen Formularen eine grenzüberschreitende Forderungstitulierung zu erreichen. Die im Anhang der Verordnung aufgeführten Formulare sind in ihrer jeweils gültigen Fassung über das Europäische Justizportal abrufbar.

3.2 Anwendbarkeit des Europäischen Mahnverfahrens

Das Europäische Mahnverfahren kann für alle fälligen und bezifferten Geldforderungen in unbegrenzter Höhe angestrengt werden, bei denen mindestens eine Partei ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz im EU-Ausland - mit Ausnahme Dänemarks - hat. Dabei dürfen die Außenstände ausschließlich aus Zivil- und Handelssachen herrühren. Zahlungsansprüche auf familien-, erb-, insolvenz-, verwaltungs-, steuer-, zoll- und sozialversicherungsrechtlicher Basis sowie außervertragliche Ansprüche können mit diesem Verfahren nicht beigetrieben werden. Gegenüber Verbrauchern ist das Europäische Mahnverfahren mit Sonderbestimmungen im Hinblick auf das zuständige Gericht ebenfalls anwendbar. Der Gläubiger wird sich im Allgemeinen nur dann für das Europäische Mahnverfahren entscheiden, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass die Rechtmäßigkeit seines Zahlungsanspruchs nicht bestritten wird. Anderenfalls sollte eine direkte Klageerhebung gem. Punkt 1. erwogen werden.

3.3 Verfahrensablauf des Europäischen Mahnverfahrens

Um das Europäische Mahnverfahren einzuleiten, füllt der Gläubiger zunächst das Antragsformular ("Formblatt A") aus. Die notwendigen Antragsformulare können auf der Webseite des Europäischen E-Justizportals kostenlos heruntergeladen werden und sind in der Sprache oder in einer der Sprachen auszufüllen, die das zuständige Gericht anerkennt. Immerhin erfolgen viele Angaben an Hand von Codierungen, wodurch sprachliche Schwierigkeiten beim Ausfüllen weitgehend vermieden werden. Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls ist, nebst Beweismitteln, bei dem Gericht in dem Mitgliedstaat einzureichen, in dem der Antragsgegner seinen Geschäftssitz / Wohnsitz hat (vgl. Punkt 1.3). Gegenüber Verbrauchern muss der Zahlungsbefehl immer in dem Mitgliedstaat beantragt werden, in welchem sie ihren Wohnsitz haben. Das jeweils national für das Europäische Mahnverfahren sachlich zuständige Gericht lässt sich über den Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen feststellen (Ausnahme Ungarn: Hier fällt das Mahnverfahren in den Zuständigkeitsbereich der Notare (Zivilrecht). Ist der Antrag nicht offensichtlich unbegründet, erlässt das Gericht so bald wie möglich und in der Regel binnen 30 Tagen nach Einreichung eines entsprechenden Antrags einen Europäischen Zahlungsbefehl ("Formblatt E") und stellt diesen dem Schuldner zu. Nach Ablauf einer 30-tägigen Einspruchsfrist (beginnend ab Zustellung) ohne Eingang eines solchen, erklärt das Gericht den Zahlungsbefehl für vollstreckbar. Dieser wird in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass seine Anerkennung angefochten werden kann. Im Fall eines Einspruchs beginnt - sofern dies vom Gläubiger im Antragsformular nicht ausgeschlossen wurde - ein ordentlicher Zivilprozess.

3.4 Kosten des Europäischen Mahnverfahrens

Die Kosten eines Europäischen Mahnverfahrens und eines ordentlichen Zivilprozesses, der sich an die Einlegung eines Einspruchs gegen den Europäischen Zahlungsbefehl in einem Mitgliedstaat anschließt, dürfen insgesamt nicht höher sein als die Gerichtsgebühren eines ordentlichen Zivilprozesses ohne vorausgehendes Europäisches Mahnverfahren in diesem Mitgliedstaat. Die Höhe der Verfahrenskosten an sich ist nicht einheitlich festgelegt und richtet sich folglich nach den nationalen Vorschriften des örtlich zuständigen Gerichts.

3.5 Vorteile des Europäischen Mahnverfahrens

Die wichtigsten Vorteile des Europäischen Mahnverfahrens liegen in seiner standardisierten Form, in der Einstufigkeit des Verfahrens (der Schuldner hat grundsätzlich nur eine Chance, Einwendungen gegen den Zahlungsbefehl zu erheben) sowie der unmittelbaren Vollstreckbarkeit im Falle des Erlasses eines Europäischen Zahlungsbefehls in jedem EU-Mitgliedstaat. Die Kosten für das Mahnverfahren an sich halten sich regelmäßig im überschaubaren Rahmen und erhöhen im Falle eines streitigen Verfahrens die Gesamtsumme der Verfahrenskosten nicht.

3.6 Nachteile des Europäischen Mahnverfahrens

Nachteilig gestaltet sich in der praktischen Handhabung die Tatsache, dass die national unterschiedlichen Gerichtsgebühren nicht einheitlich festgelegt wurden und vom Gläubiger oft mühsam herausgefunden werden müssen. Zudem wurde der Zeitraum, innerhalb dessen das national zuständige Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl erlassen und in dem die national zuständige Vollstreckungsbehörde tätig werden muss, nicht verbindlich festgelegt, so dass es hier zu Verzögerungen kommen kann.

Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen

Durch das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen soll die Geltendmachung grenzüberschreitender Forderungen unter 5.000 Euro vereinfacht, verbilligt und beschleunigt werden.

4.1 Rechtsgrundlagen des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

Die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen („Small-Claims-Verordnung“) gilt für alle Forderungen, die ab dem 1. Januar 2009 entstanden sind.

4.2 Anwendbarkeit des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

Diese Verordnung gilt innerhalb der EU (mit Ausnahme Dänemarks) für alle Zivil- und Handelssachen gegenüber Unternehmern und Verbrauchern, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht 2.000 Euro nicht überschreitet. Das Verfahren umfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte. Ebenfalls ausgenommen sind arbeitsrechtliche Forderungen.

4.3 Verfahrensablauf des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

Auch das Verfahren für geringfügige Forderungen wird grundsätzlich schriftlich durchgeführt und basiert weitgehend auf standardisierten Formblättern. Zur Verfahrenseinleitung muss das Formblatt A ausgefüllt werden. Diesem Antrag sind alle Beweisunterlagen wie z. B. Quittungen, Rechnungen usw. beizufügen. Die gesamten Antragsunterlagen sind in einer der jeweiligen Amtssprachen bei dem Gericht einzureichen, das für seine Bearbeitung sachlich zuständig ist. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus der - bereits unter Punkt 1.3 kurz erläuterten - Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/20121, welche Sonderregelungen für Verbrauchersachen enthält.
Nach Eingang des Klageformblatts A füllt das Gericht seinen Teil des "Antwortformblatts" aus und stellt dem Schuldner innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des Klageformblatts eine Kopie desselben zusammen mit einem Antwortformblatt zu. Der Schuldner hat nun 30 Tage Zeit zu antworten, indem er seinen Teil des Antwortformblatts ausfüllt. Das Gericht ist verpflichtet, innerhalb von weiteren 14 Tagen eine Kopie der Antwort an den Gläubiger abzusenden. Innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der Antwort des Schuldners bei Gericht erlässt dieses ein Urteil zu der Forderung, fordert die Parteien zu weiteren Angaben auf oder lädt die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung vor. Sobald ein Urteil zu der geringfügigen Forderung ergangen ist, füllt das Gericht Formblatt D aus. Mit dem Formblatt D (welches ggf. in die Amtssprache des Mitgliedstaats zu übersetzen ist, in dem vollstreckt werden soll) und einer Kopie des Urteils ist das Urteil ohne weitere Formalitäten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) nach den dortigen Verfahrensvorschriften vollstreckbar.

4.4 Kosten des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

Das für das Verfahren zuständige Gericht hat in diesem speziellen Verfahren grundsätzlich immer den Kosten Rechnung zu tragen. Hierzu hat es die einfachsten und am wenigsten aufwändigen Beweismittel zu wählen. Sachverständigenbeweise oder mündliche Aussagen werden nur dann zugelassen, wenn diese für das Urteil unbedingt erforderlich sind. Zudem ist verbindlich festgeschrieben, dass die unterlegene Partei alle Kosten des Verfahrens trägt, sofern die von der obsiegenden Partei geltend gemachten Kosten notwendig waren und in einem angemessenen Verhältnis zu der Klage stehen. Die Gerichtskosten für das Verfahren sind nicht EU-weit einheitlich festgelegt und müssen daher bei den jeweils zuständigen Gerichten ausfindig gemacht werden.

4.5 Vorteile des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

Ein wesentlicher Vorteil des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen liegt in den verbindlich vorgegebenen Bearbeitungsfristen für die Gerichte des jeweiligen Mitgliedstaates, was auf eine zügige Verfahrensabwicklung hoffen lässt. Des Weiteren stellt die Standardisierung des Verfahrens mittels EU-weit einheitlicher Formblätter eine spürbare Verfahrensvereinfachung dar.

4.6 Nachteile des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

Größter Nachteil des vorbeschriebenen Verfahrens ist die 5.000 Euro-Grenze, welche im kaufmännischen Geschäftsverkehr rasch überschritten sein dürfte.

Tabelle

Klage auf Geldleistung innerhalb EUEU-VollstreckungstitelEU-MahnverfahrenEU-Verfahren für geringfügige Forderungen

Geeignet für strittige Geldforderungen

Ja

Nein

Nein*

 

Ja

Obergrenze für Höhe der Geldforderungen

Nein

Nein

 

Nein

Ja

 

Verfahrensablauf EU-weit standardisiert

Nein

Ja

Ja

Ja

Rechtsanwaltspflicht

 

Ja**

Nein

Nein

 

Nein

EU-weit einheitliche Fristenregelung

 

Nein

Nein

Ja

Ja

EU-weit einheitliche Grundsätze für Verfahrenskosten

Nein

Nein

Ja

Ja

EU-weit einheitliche Kostentragungspflicht der unterlegenen Partei

Nein

 

Nein

Nein

Ja

Vorteile

- Universelle Einsetzbarkeit

- EU-weite Vollstreckbarkeit

- in Deutschland überschaubare Zusatzkosten

- Hoher Standardisierungsgrad

- Einstufigkeit

- EU-weite Vollstreckbarkeit

- Hoher Standardisierungsgrad

- Klare Fristenregelung

- EU-weite Vollstreckbarkeit

Nachteile

- Nationale Vorschriften dominieren

- relativ zeit- & kostenintensiv

- eventuell Zwischenverfahren erforderlich

- Nationale Vorschriften für die Vollstreckung

- Stark eingeschränkter Anwendungsbereich

- Keine einheitlichen Gebühren und Fristen

- Nationale Vorschriften für die Vollstreckung

 

- Stark eingeschränkter Anwendungsbereich

- Nationale Vorschriften für die Vollstreckung

*  = Grundsätzlich auch bei strittigen Forderungen möglich, aufgrund des nachfolgenden streitigen Verfahrens i.d.R. nicht zu empfehlen.

** = Dies ist von den jeweiligen Vorschriften abhängig, die Angabe stellt insoweit lediglich eine Empfehlung dar.

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