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Insolvenzverfahren für Gläubiger

Wissenswertes und Hilfestellungen bei einer Insolvenz für den Gläubiger.

1. Kann ich mich vor der Insolvenz eines Geschäftspartners schützen?

Die Sorge vor der Insolvenz eines Kunden oder Lieferanten kann eine Geschäftsbeziehung trüben. Welche Schutzmaßnahmen möglich und sinnvoll sind, hängt von einigen Faktoren ab, insbesondere von der Art der konkreten Geschäftsbeziehung (Handelt es sich um einen Kunden oder einen Lieferanten?), von der finanziellen Situation des Geschäftspartners (Betreibe ich bloße Vorsorge oder befindet er sich bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten? Ist vielleicht bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet?) und nicht zuletzt von den wirtschaftlichen Folgen, die ein Forderungsausfall mit sich bringen würde. Auch sollte bedacht werden, dass sich nicht jedes Sicherungsmittel verheimlichen lässt und auch das negativen Einfluss auf die Geschäftsbeziehung haben kann.

Die wohl naheliegendste Vorsichtsmaßnahme ist, sich gründlich über seine (potentiellen) Vertragspartner zu informieren. Neben bereits gesammelten eigenen Erfahrungen können hier verschiedene Datenbanken helfen. So enthält beispielsweise das Handelsregister (https://www.handelsregister.de/rp_web/welcome.xhtml) wichtige Eckdaten zum (kaufmännischen) Unternehmen und im Vollstreckungsportal (https://www.vollstreckungsportal.de/zponf/allg/willkommen.jsf) finden sich Insolvenzbekanntmachungen. Es ist auch denkbar, den Geschäftspartner um eine Selbstauskunft der SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, https://www.meineschufa.de/) zu bitten. Gerade hier sollte aber bedacht werden, welches Signal dadurch gesetzt wird.

Zwar ist es nicht möglich, eine Forderung durch eine vertragliche Abrede „insolvenzfest“ zu machen. Es gibt aber durchaus vertragliche Gestaltungen, die das Risiko des Forderungsausfalls zumindest verringern. Dazu zählen beispielsweise die Vereinbarung, dass der Vertragspartner in Vorkasse tritt (zum speziellen Problem der Insolvenzanfechtung siehe Informationen zur » Insolvenzanfechtung), die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts (siehe 10. Werden wirklich alle Gläubiger gleichbehandelt?), der dem Gläubiger in der Insolvenz ein Aus- bzw. Absonderungsrecht gibt oder die Sicherungsübereignung, bei der eine Sache zur Sicherung einer Forderung an den Gläubiger übereignet wird, aber beim Schuldner zur weiteren Nutzung verbleibt. In der Insolvenz ermöglicht das Sicherungseigentum jedoch kein Recht auf Herausgabe (Aussonderungsrecht), sondern ein Recht auf bevorzugte Befriedigung aus dem Veräußerungserlös (Absonderungsrecht).

Weiterhin ist es möglich, dritte Personen „mit ins Boot zu holen“, beispielsweise durch eine Bürgschaft. Durch einen solchen Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge, für die Verbindlichkeiten eines anderen einzustehen. In der Praxis fungieren häufig Geschäftsführer einer UG (haftungsbeschränkt) als Bürgen für einzelne Gesellschaftsschulden.

Ein sehr weitreichendes, aber auch kostenintensives Sicherungsmittel ist der Abschluss einer speziellen Kreditversicherung bei einem Versicherungsunternehmen. Die Höhe der Versicherungsprämie richtet sich dabei nach dem Ausfallrisiko. Eine solche Versicherung macht hauptsächlich dann Sinn, wenn ein Forderungsausfall existenzbedrohend wäre.

2. Wie kann ich erfahren, ob ein Unternehmen Insolvenz angemeldet hat?

Es gibt ein gemeinsames Portal (https://neu.insolvenzbekanntmachungen.de/ap/) der Bundesländer zur Veröffentlichung von Bekanntmachungen der Insolvenzgerichte. Dort können Veröffentlichungen in Insolvenzverfahren recherchiert werden.

3. Gibt es besondere Voraussetzungen für den Gläubigerantrag?

Das Insolvenzverfahren kann nicht nur vom Schuldner, sondern auch von den Gläubigern initiiert werden, praktisch sind Gläubigeranträge aber eher selten. In § 14 der Insolvenzordnung (InsO) sind besondere Anforderungen an die Zulässigkeit des Gläubigerantrags aufgeführt. Der Gläubiger muss ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) glaubhaft machen. Die Zulässigkeit des Gläubigerantrages führt noch nicht dazu, dass auch das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Antrag muss vielmehr auch begründet sein, also ein Insolvenzgrund tatsächlich vorliegen und eine verfahrenskostendeckende Masse vorhanden sein. Vor einer Entscheidung des Insolvenzgerichtes über den Gläubigerantrag hat der Schuldner Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Die Glaubhaftmachung hat zum Ziel, das Gericht vom Bestehen der Forderung und vom Vorliegen eines Insolvenzgrundes zu überzeugen. Sie verlangt weniger als der Beweis und kann – neben den üblichen Beweismitteln – grundsätzlich auch durch eine eidesstattliche Versicherung erfolgen. Wie hoch die Anforderungen jedoch konkret sind, hängt von den Einzelfallumständen und insbesondere auch der Reaktion des Schuldners ab. So reicht es beispielsweise aus, bei einer bereits titulierten Forderung den Titel und die dort begründeten Forderung genau zu bezeichnen, wohingegen das Insolvenzgericht bei einer nicht titulierten Forderung eine Sachprüfung vornehmen können muss. Wenn der Schuldner das Bestehen einer solchen Forderung bestreitet, kann ggf. auch eine vorherige Klärung durch das jeweilige Fachgericht nötig sein. Ist die dem Antrag zugrunde liegende Forderung die einzige, die den Insolvenzgrund herbeiführen würde und wird diese vom Schuldner bestritten, so ist außerdem der volle Beweis nötig und eine eidesstattliche Versicherung reicht nicht.

Bei der Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes muss auf Indizien zurückgegriffen werden, da dem Gläubiger (im Regelfall) die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht im Einzelnen bekannt sind. Als Indizien für das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit kommen beispielsweise das länger andauernde Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen oder fruchtlose Vollstreckungsversuche in Betracht.
Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist in der Regel gegeben. Bei dieser Voraussetzung handelt es sich lediglich um ein Korrektiv. Damit können beispielsweise Insolvenzverfahren aufgrund einer nur minimalen Forderung verhindert werden oder auch solche, die nur dazu dienen, einen Konkurrenten loszuwerden. Auch ein rein vorsorglicher Insolvenzantrag ist unzulässig. Der Gläubiger muss sein rechtliches Interesse zunächst schlüssig darlegen. Eine (zusätzliche) Glaubhaftmachung kann bei einem Bestreiten des Schuldners nötig sein.

4. Birgt der Gläubigerantrag auch Risiken?

In erster Linie riskiert der antragstellende Gläubiger eine Kostentragungspflicht. Die Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens trägt der Antragsteller, also bei einem Gläubigerantrag der Gläubiger. Wenn der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen wird, gilt das auch für bestimmte entstandene Auslagen (etwa Gutachterkosten, beispielsweise aber nicht die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters). Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so gehört auch die Gebühr für das Insolvenzeröffnungsverfahren zu den Kosten des Insolvenzverfahrens und muss in erster Linie aus der Insolvenzmasse beglichen werden, der antragstellende Gläubiger bleibt aber Zweitschuldner.

Das Risiko des Gläubigers, sich durch Stellen eines unbegründeten Insolvenzantrages gegenüber dem Schuldner schadensersatzpflichtig zu machen, ist verhältnismäßig gering, da es sich um ein gesetzlich vorgesehenes Mittel handelt. In besonders gelagerten Fällen können aber beispielsweise die Voraussetzungen einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung gegeben sein und eine Schadensersatzpflicht begründen.

5. Was passiert, wenn die Forderung nach Antragstellung doch noch beglichen wird?

Eine besondere Situation entsteht, wenn der Schuldner im Verlauf des Insolvenzeröffnungsverfahrens doch noch an den antragstellenden Gläubiger zahlt. § 14 Abs. 1 S. 2 InsO regelt, dass der Antrag nicht allein dadurch unzulässig wird, dass die Forderung des antragstellenden Gläubigers erfüllt wird. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es trotzdem sein kann, dass der Schuldner insolvent ist und der Gläubiger dem Risiko der späteren Insolvenzanfechtung ausgesetzt ist, falls im Nachhinein doch noch ein erfolgreicher Insolvenzantrag gestellt wird.

Möchte der Gläubiger seinen Antrag trotz Zahlung weiter aufrechterhalten, ist für dessen Erfolg das Fortbestehen des Insolvenzgrundes und des rechtlichen Interesses an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nötig. War der Gläubigerantrag ursprünglich zulässig und begründet und ist durch die Zahlung nach Antragstellung die Begründetheit entfallen, sodass der Antrag als unbegründet abgewiesen wird, hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das gilt aber nicht, wenn der Antrag bereits als unzulässig abgewie-sen wird oder von Anfang an nicht begründet war (s.o.) und auch nicht, wenn der Antrag vom Gläubiger zurückgenommen wurde. Für den Gläubiger besteht aber auch die Möglichkeit, seinen Antrag nach Begleichung seiner Forderung für erledigt zu erklären. In dem Fall entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes.

6. Wie können Gläubiger Einfluss auf das eröffnete Insolvenzverfahren nehmen?

Der Gläubigerausschuss und die Gläubigerversammlung sind Organe, über die die Gläubiger einen erheblichen Einfluss auf das Insolvenzverfahren nehmen können (s. Insolvenzrecht I - Grundzüge des (Regel-)Insolvenzverfahrens). Zentrum der Willensbildung und Entscheidungsfindung ist dabei die Gläubigerversammlung, die in jedem Insolvenzverfahren vorgesehen ist und vom Insolvenzgericht einberufen wird. Folgerichtig handelt es sich bei den wichtigsten Eckpunkten des eröffneten Insolvenzverfahrens (Berichtstermin, Prüfungstermin und Schlusstermin) um Gläubigerversammlungen. Diese kann vom Insolvenzverwalter einzelne Auskünfte und einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung verlangen und entscheidet beispielsweise über die Stilllegung oder Fortführung des insolventen Unternehmens, bestätigt oder ersetzt den bestellten Insolvenzverwalter und setzt den Gläubigerausschuss ein.

Während an der Gläubigerversammlung alle absonderungsberechtigten Gläubiger, alle Insolvenzgläubiger, der Insolvenzverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Schuldner teilnehmen können (aber nicht müssen), handelt es sich beim Gläubigerausschuss um ein flexibleres Repräsentationsorgan, in dem die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und die Kleingläubiger vertreten sein sollen und dem auch ein Vertreter der Arbeitnehmer angehören soll. Nicht in jedem Insolvenzverfahren wird ein Gläubigerausschuss eingesetzt, da dies mit zusätzlichem Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden ist. Es bietet jedoch den Vorteil, dass die Gläubiger insbesondere auch bei eilbedürftigen Angelegenheiten beteiligt werden können. Die wichtigsten Aufgaben des Gläubigerausschusses sind die Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters, notfalls auch die Einschaltung des Insolvenzgerichtes. Hierfür stehen ihm weitreichende Informationsrechte zur Verfügung. Für besonders gravierende Maßnahmen (beispielsweise die Veräußerung des Unternehmens oder die Erhebung einer Klage mit erheblichem Streitwert) benötigt der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses. Ist ein solcher nicht bestellt, übernimmt die Gläubigerversammlung seine wesentlichen Aufgaben, insbesondere darf sie dann den Geldverkehr und -bestand des Verwalters prüfen lassen und über die Zustimmung zu besonders wichtigen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters entscheiden. Weder die Gläubigerversammlung noch der Gläubigerausschuss haben jedoch ein allgemeines Weisungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter.

7. Wie erfolgt die Forderungsanmeldung?

Kernvoraussetzung, um als Insolvenzgläubiger Berücksichtigung zu finden, ist die Forderungsanmeldung. Der gerichtliche Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens enthält eine Aufforderung an die Gläubiger, ihre Forderungen innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist von mindestens zwei Wochen und höchstens drei Monaten beim Insolvenzverwalter anzumelden und dem Verwalter unverzüglich mitzuteilen, welche Sicherungsrechte sie an beweglichen Sachen oder an Rechten des Schuldners in Anspruch nehmen wollen. Der entsprechende Gegenstand, die Art und der Entstehungsgrund des Sicherungsrechts sowie die gesicherte Forderung müssen dabei bezeichnet werden.

Der Eröffnungsbeschluss wird öffentlich bekannt gemacht und den (bekannten) Gläubigern zugestellt, praktisch erfolgt die Zustellung meist durch den Insolvenzverwalter, der häufig auch Formulare für die Forderungsanmeldung bereitstellt. Die Forderungsanmeldung muss eine eindeutige Identifizierung und Individualisierung der Forderung zulassen. Anzugeben sind die Höhe (bei Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind, ist diese zu schätzen) sowie der Rechtsgrund der Forderung. Belege sollen der Anmeldung in Abdruck beigefügt werden. Zinsen können nur bis zur Verfahrenseröffnung angemeldet werden.

8. Was passiert, wenn die Frist für die Forderungsanmeldung verstrichen ist?

Da es sich nicht um eine Ausschlussfrist handelt, ist es auch nach ihrem Verstreichen noch möglich, Forderungen zur Tabelle anzumelden. Kommt es wegen einer verspäteten Forderungsanmeldung zu einem nachträglichem Prüftermin, werden den verspäteten Gläubigern die Kosten auferlegt. Aktuell handelt es sich dabei um 22 Euro pro Gläubiger. Keine Berücksichtigung mehr finden Forderungen, die erst nach Veröffentlichung und Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldet werden.

9. Was kann ich tun, wenn der Insolvenzverwalter meine Forderung bestreitet?

Nach der Forderungsanmeldung trägt der Insolvenzverwalter die Forderungen in die Tabelle ein, sofern sie formell vollständig sind. Zwischen dem Ende der Anmeldefrist und dem Prüfungstermin muss die Tabelle im Insolvenzgericht ausgelegt werden und die Gläubiger können Einsicht nehmen. Die Prüfung der angemeldeten Forderungen erfolgt im Prüfungstermin, zum Bestreiten berechtigt sind der Insolvenzverwalter, der Schuldner, sowie jeder Insolvenzgläubiger. Auf dem Prüfstand steht nicht nur das Bestehen der Forderung an sich, sondern auch deren Rang und Höhe. Nur eine bestrittene Forderung wird im Einzelnen erörtert. Bleibt eine nicht titulierte Forderung bestritten, kann der betroffenen Gläubiger den Klageweg bestreiten. Bei titulierten Forderungen obliegt es dem Bestreitenden, seinen Widerspruch klageweise durchzusetzen.

10. Werden wirklich alle Gläubiger gleichbehandelt?

Anders als in der Einzelzwangsvollstreckung gilt im Insolvenzverfahren nicht das Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sondern es soll die bestmögliche, gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger in ihrer Gesamtheit erreicht werden. Das bedeutet aber nicht, dass alle Gläubiger auch identisch behandelt werden. Abhängig von Art und Entstehungszeitpunkt der Forderung werden vielmehr Gläubigergruppen gebildet, die unterschiedliche Rechte und Befriedigungsaussichten haben (s. auch Grundzüge des (Regel-)Insolvenzverfahrens). 

Aussonderungsberechtigte Gläubiger können geltend machen, dass ein Gegenstand (das kann eine Sache, aber auch ein Recht sein) nicht zur Insolvenzmasse gehört und auf dieser Grundlage vom Insolvenzverwalter Herausgabe des Gegenstandes verlangen. Das sollte so früh wie möglich geschehen. Da der Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, sind aussonderungsberechtigte Gläubiger keine Insolvenzgläubiger und melden Ihre Forderung nicht zur Tabelle an. Ein Aussonderungsrecht wird insbesondere durch das Eigentum begründet.

Wird eine Ware unter (einfachem) Eigentumsvorbehalt verkauft und ist die Bezahlung ausgeblieben, begründet dies grundsätzlich ein Aussonderungsrecht, denn der Vorbehaltsverkäufer bleibt in dem Fall Eigentümer (auch hier gilt jedoch „keine Regel ohne Ausnahme“, Genaueres enthält das gesonderte Merkblatt „Eigentumsvorbehalt“). Der Insolvenzverwalter hat jedoch die Wahl, ob er den Kaufvertrag erfüllen (und damit die noch ausstehenden Raten als Masseverbindlichkeiten bezahlen) oder die Erfüllung ablehnen möchte und er kann damit bis zum Berichtstermin warten, da vor einer Entscheidung über eine mögliche Sanierung keine Zerschlagung des Unternehmens erfolgen soll. Eine Ausnahme besteht bei schnell verderblichen Waren oder wenn aus einem anderen Grund eine erhebliche Wertminderung droht: Hat der Gläubiger den Insolvenzverwalter auf diesen Umstand hingewiesen, muss dieser früher entscheiden.

Absonderungsberechtigte Gläubiger können zwar nicht die Herausgabe eines Gegenstandes verlangen, sie sind aber berechtigt, sich aus dem Erlös, den ein bestimmter Gegenstand eingebracht hat, vorab zu befriedigen. Zur Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger gehören beispielsweise Gläubiger, die ein Pfandrecht über einen Gegenstand in der Masse zur Sicherung eines Anspruchs haben. Auch eine Sicherungsübereignung, Hypothek oder Grundschuld begründet ein Absonderungsrecht, ebenso der verlängerte Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungs-, Verbindungs-, Vermischungs- oder Vorausabtretungsklausel. Wenn es jedoch nicht zu Verlust des Eigentums gekommen ist, etwa weil die Ware noch im Lager vorhanden ist, liegt aber auch im Fall des verlängerten Eigentumsvorbehaltes ein Aussonderungsrecht vor. Auch das Absonderungsrecht sollte frühzeitig gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Beabsichtigt dieser die Verwertung eines mit einem Absonderungsrecht behafteten Gegenstandes, so muss er dies dem Gläubiger mitteilen und ihm Gelegenheit geben, auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen. Erfolgt ein solcher Hinweis rechtzeitig, so hat der Insolvenzverwalter diese günstigere Option wahrzunehmen. Von dem Verwertungserlös zieht der Insolvenzverwalter noch vor der bevorzugten Befriedigung des Gläubigers einen Pauschalbetrag zur Deckung der Kosten der Feststellung (4 %) und der Verwertung (5 %, gegebenenfalls zuzüglich Umsatzsteuer) des Gegenstands ab. Bei einer erheblichen Abweichung der tatsächlich entstandenen Verwertungskosten von der Pauschale sind die tatsächlich entstandenen Kosten abzuziehen (als Anhaltspunkt kann sich hier an einer Abweichung von mehr als 50 % nach oben oder unten orientiert werden). Wird die Gläubigerforderung durch die Verwertung nicht vollständig befriedigt, so kann der Gläubiger diesen Differenzbetrag als Insolvenzgläubiger zur Tabelle anmelden.

Massegläubiger sind diejenigen Gläubiger, deren Ansprüche erst nach Verfahrenseröffnung begründet und durch das Verfahren selbst veranlasst worden sind. Zu den Masseforderungen gehören insbesondere die Verfahrenskosten und Verbindlichkeiten, die der (vorläufige) Insolvenzverwalter nach Bestellung für die Masse begründet. Masseverbindlichkeiten werden, soweit das der Umfang der Insolvenzmasse zulässt, in voller Höhe befriedigt.

Insolvenzgläubiger werden alle Gläubiger genannt, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Der Anspruch braucht zu diesem Zeitpunkt nur begründet, nicht aber fällig zu sein. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger werden quotenmäßig aus der verbleibenden Insolvenzmasse bedient. Die Quote ergibt sich aus dem Verhältnis der noch vorhandenen Vermögenswerte zur Summe aller Verbindlichkeiten.

Beispiel: Beläuft sich die zur Verfügung stehende Masse auf 100.000,- Euro und stehen ihr Verbindlichkeiten in Höhe von 800.000,- Euro gegenüber, so beträgt die Quote 1/8 = 12,5 Prozent. Beträgt die Forderung eines Insolvenzgläubigers 5.000,- Euro, erhält er von dieser Summe 12,5 Prozent, also 625,- Euro.

Nachrangige Insolvenzgläubiger werden nur noch bedient, wenn nach Befriedigung aller anderen Gläubiger noch etwas von der Insolvenzmasse übrig ist. Dies ist jedoch nur selten der Fall. Nachrangige Insolvenzforderungen sind zum Beispiel die seit Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen oder die Kosten, die den einzelnen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Insolvenzverfahren erwachsen.

11. Wie wirkt sich die Verfahrenseröffnung auf bestehende Verträge aus?

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selber hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Bestand von Verträgen. Da das Insolvenzverfahren (sowohl im Interesse des Schuldners als auch der Gläubiger) nicht automatisch auf Abwicklung gerichtet ist, hat der Insolvenzverwalter weitreichende Entscheidungsbefugnisse darüber, wie er mit bestehenden Verträgen umgehen möchte und ist zentraler Ansprechpartner für Gläubiger.

Ist ein bereits geschlossener Vertrag noch von keiner Partei vollständig erfüllt worden, hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich die Wahl, ob er vom Vertragspartner Erfüllung verlangen und diesen damit zu einem (bevorzugten) Massegläubiger machen oder ob er die Erfüllung ablehnen möchte. Im letztere Fall erlöschen die gegenseitigen Leistungspflichten und der Gläubiger kann etwaige Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung als „normaler“ Insolvenzgläubiger geltend machen.

Ist ein Vertrag bereits seitens des Schuldners vollständig erfüllt worden, muss der Gläubiger seinerseits an den Insolvenzverwalter leisten. Hat nur der Gläubiger seine Leistung vollständig erbracht, muss er seinen Anspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenztabelle anmelden.

Eine Besonderheit gilt für bestimmte langfristig angelegte Verträge (insbesondere Miet- und Pachtverträge über Grundstücke und Räume sowie Dienst- und Arbeitsverträge). Diese bleiben bestehen, der Insolvenzverwalter kann aber kündigen, wobei die Insolvenzordnung besondere Regelungen insbesondere zu Kündigungsfristen und in einzelnen Konstellationen auch Sonderkündigungsrechte vorsieht.
Ob die Forderungen aus diesen Dauerschuldverhältnissen als Insolvenz- oder Masseforderungen kategorisiert werden, hängt davon ab, wann die jeweilige Gegenleistung (also beispielsweise die Arbeitsleistung) erbracht wurde.

Ausnahmsweise kein Wahl- oder Kündigungsrecht besteht bei Aufträgen oder Geschäftsbesorgungsverträgen (beispielsweise Anwalts-, Steuerberater- oder Handelsvertreterverträge), wenn der Schuldner diese als Auftraggeber oder Geschäftsherr geschlossen hat und bei vom Schuldner erteilten Vollmachten. Diese erlöschen automatisch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

12. Was passiert, wenn ich versehentlich an den Schuldner leiste?

Wer dem Schuldner gegenüber noch Ausstände hat, muss diese nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter und nicht mehr an den Schuldner leisten. Auch hierzu fordert das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss auf. Wird dennoch an den Schuldner geleistet, kann der Insolvenzverwalter erneut Leistung verlangen, es sei denn, es bestand keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung. Diese Unkenntnis muss der Leistende jedoch im Streitfall beweisen, wenn die Leistung erst nach der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung erfolgt ist. Vorher wird die Unkenntnis zu seinen Gunsten vermutet.

13. Kann im Insolvenzverfahren aufgerechnet werden?

Wenn sich zwei Personen gegenseitig etwas schulden (sie also jeweils Schuldner und zu-gleich Gläubiger der jeweils anderen Person sind), kann die Abwicklung durch eine Aufrechnung, also eine Verrechnung, erleichtert werden. Ob aufgerechnet wird, liegt in der Hand der Parteien, denn eine Verrechnung findet nicht automatisch statt, sondern erfordert die Aufrechnungserklärung einer der Parteien. (Weitere) Voraussetzungen sind die Gleichartigkeit der gegenseitigen Forderungen (das ist insbesondere bei Geldforderungen der Fall), die Vollwirksamkeit und Fälligkeit der Forderung, mit der aufgerechnet wird (Gegenforderung) sowie die Erfüllbarkeit der Forderung, gegen die aufgerechnet wird (Hauptforderung). Außerdem darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein (das kann beispielsweise aufgrund eines vertraglichen Aufrechnungsverbotes der Fall sein).

Auch in der Insolvenz besteht prinzipiell die Möglichkeit, aufzurechnen. Da dies aber eine bevorzugte Behandlung der aufrechnungsberechtigten Gläubiger darstellt, gibt es neben den genannten Voraussetzungen zeitliche Einschränkungen: Möglich bleibt eine Aufrechnung, wenn sich die gegenseitigen Forderungen bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechenbar gegenübergestanden haben. Wenn die Forderung des Gläubigers zwar schon vor Verfahrenseröffnung im Kern bestand, aber erst danach fällig wurde, ist eine Aufrechnung zum Fälligkeitstermin möglich, wenn die Hauptforderung nicht schon vorher fällig geworden ist (in dem Fall kann der Insolvenzverwalter die Hauptforderung ohne weiteres vollstrecken). Entsteht die Hauptforderung erst nach der Verfahrenseröffnung, ist eine Aufrechnung ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger seine Forderung erst nach der Verfahrenseröffnung erworben hat oder die Forderung des Gläubigers aus dem freien Vermögen des Schuldners (und nicht aus der Insolvenzmasse) zu erfüllen ist, er aber seinerseits zur Masse leisten muss. Außerdem kann keine Aufrechnung erfolgen, wenn der Gläubiger die Aufrechnungsmöglichkeit durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.

 

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