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Die Vertretung im Handelsrecht

Grundsätzlich kann nur derjenige wirksam Verträge für einen Gewerbebetrieb abschließen, der vom Geschäftsinhaber hierzu bevollmächtigt wurde. Dabei kann der Vollmachtgeber den Umfang einer Vollmacht nach dem BGB frei bestimmen. Er allein legt also fest, bei welchen Geschäften er vertreten werden will. Von der Einzelvollmacht, die beschränkt ist auf bestimmte Rechtshandlungen, bis hin zur Generalvollmacht, die gerichtet ist auf die Wahrnehmung sämtlicher Geschäfte, sind hier die verschiedensten Konstellationen denkbar. Neben diesen allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen normiert das HGB besondere Vertretungsberechtigungen für Kaufleute (im Handelsregister eingetragene Unternehmen), die in ihrer Ausprägung den besonderen Erfordernissen des Wirtschaftsverkehrs angepasst sind.

Der Prokurist als "zweites Ich" des Kaufmanns

Die Prokura bildet die umfangreichste handelsrechtliche Vertretungsbefugnis. Mit Ausnahme der sogenannten Grundgeschäfte wie der Veräußerung und Belastung von Grundstücken ermächtigt sie zu allen Arten von Rechtsgeschäften, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, wobei der Prokurist auch branchenfremde Geschäfte tätigen kann. Auch wenn die Prokura intern durch Vertrag mit dem Unternehmer begrenzt ist, bleiben die im Außenverhältnis abgeschlossenen Verträge gleichwohl wirksam. Dies gilt selbst dann, wenn der Geschäftspartner die internen Vereinbarungen kannte. Der Umfang der Prokura ist insoweit nach außen zwingend durch das HGB festgelegt, ohne dass eine Beschränkung möglich ist.

Die Prokura kann nur von Kaufleuten erteilt werden. Nichtkaufleute oder der Prokurist selbst sind von der Erteilung einer Prokura ausgeschlossen. Die Erteilung muss durch den Inhaber des Handelsgeschäftes oder ggf. durch den gesetzlichen Vertreter (z.B. den Geschäftsführer der GmbH) ausdrücklich erfolgen. Erteilung und Erlöschen der Prokura sind jeweils zum Handelsregister anzumelden. Dabei ist besondere Aufmerksamkeit geboten: Solange die Eintragung im Handelsregister besteht, kann der Prokurist mit sämtlichen Befugnissen tätig werden und zwar selbst dann, wenn die Prokura tatsächlich bereits erloschen ist, sei es z. B. durch Widerruf, durch Geschäftsaufgabe oder weil das zugrunde liegende Dienstverhältnis beendet wurde.

Die Handlungsvollmacht als "kleine Prokura"

Die Handlungsvollmacht reicht weniger weit als die Prokura. Ihren Umfang kann der Geschäftsinhaber - anders als bei der Prokura - selbst festlegen. Überschreitet der Bevollmächtigte den gesetzten Rahmen, bleibt das Unternehmen durch den Vertrag gleichwohl gebunden, wenn der Geschäftspartner die Beschränkung nicht kannte oder hätte kennen müssen. Regelmäßig werden von der Handlungsvollmacht allerdings nur branchenübliche Geschäfte erfasst. Die Handlungsvollmacht wird nicht in das Handelsregister eingetragen und kann ohne Formerfordernisse, z. B. auch mündlich oder durch schlüssiges Handeln, erteilt werden. Schon aus Beweisgründen ist aber eine schriftliche Erteilung zu empfehlen.

Eine Handlungsvollmacht kann, wie die Prokura, auch als Gesamthandlungsvollmacht mehreren Personen gemeinschaftlich erteilt werden.

Verkaufsberechtigung von Angestellten im Laden oder Warenlager

Wer in einem Laden oder offenen Warenlager angestellt ist, gilt nach dem HGB als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Lager gewöhnlich abgewickelt werden. Sofern ein Angestellter also mit Wissen und Willen des Geschäftsinhabers in Kontakt zu Kunden tritt, dürfen diese sich auf das Bestehen einer Vollmacht im üblichen Rahmen verlassen. Der Begriff "Verkäufe" ist in diesem Zusammenhang untechnisch zu verstehen, sodass hierunter auch die Entgegennahme von Mängelanzeigen sowie Übereignungserklärungen, nicht jedoch Ankäufe oder die Anerkennung von Mängeln aus einer Mängelanzeige fallen. Wenn der Kunde vom Bestehen einer Verkaufsberechtigung ausgehen darf, kann er z. B. wirksam bei einem Angestellten im Laden zahlen. Der Geschäftsinhaber wiederum kann dies durch deutliche Hinweise wie etwa "Zahlung nur an der Kasse" ausschließen.

Einräumung einer typischerweise mit Vollmacht verbundenen Stellung

Manche Aufgaben setzen zu ihrer ordnungsgemäßen Erfüllung eine bestimmte Vollmacht voraus, wie etwa die Tätigkeiten des Architekten oder des Anwalts. In der Zuweisung von Aufgaben, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine Vollmacht erfordert, liegt regelmäßig auch die konkludente Erteilung einer Innenvollmacht. Wer einem anderen eine solche Aufgabe überträgt, muss diesen deshalb auch dann als bevollmächtigt gelten lassen, wenn eine Vollmacht für das konkrete Geschäft tatsächlich nicht erteilt war. Die Einholung einer schriftlichen Vollmacht ist zu Beweiszwecken jedoch immer zu empfehlen. Der Geschäftsherr kann nur dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn für den anderen Teil das Fehlen beziehungsweise die Einschränkung der Vertretungsmacht unschwer zu erkennen war.

Die Vertretungsmacht im Gesellschaftsrecht

Das Gesellschaftsrecht enthält verschiedene Sonderregelungen zur Vertretungsbefugnis der jeweiligen Gesellschafter.

  • BGB-Gesellschaft (GbR): Grundsätzlich besteht bei der GbR Gesamtvertretungsmacht, das heißt Rechtsgeschäfte   Rechtsgeschäfte mit Dritten sind nur dann wirksam, wenn sie von allen Gesellschaftern gemeinsam abgeschlossen wurden. Im Gesellschaftsvertrag können jedoch beliebige Abweichungen von diesem Grundsatz vereinbart oder im Einzelfall eine vorherige Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung erteilt werden.
  • OHG: Zur Vertretung der OHG ist jeder Gesellschafter allein ermächtigt, der nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist. Ein entsprechender Ausschluss ist von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Bleibt ein Gesellschafter allein oder mit anderen Gesellschaftern vertretungsbefugt, so erstreckt sich diese Vertretungsmacht auf sämtliche denkbare gerichtliche und außergerichtliche Geschäfte. Eine Beschränkung dieses Vertretungsumfangs ist Dritten gegenüber nicht möglich.
  • KG: Die Vertretungsmacht des Komplementärs einer KG entspricht der des OHG-Gesellschafters. Eine Besonderheit ergibt sich dagegen für den Kommanditisten: Er ist von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen, gehört also nicht zu den Personen, durch die eine KG nach dem Gesetz handelt. Unabhängig davon kann er jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen rechtsgeschäftlich bevollmächtigt und sogar zum Prokuristen ernannt werden.
  • GmbH und UG (haftungsbeschränkt): Die GmbH und die UG (haftungsbeschränkt) werden durch den Geschäftsführer vertreten; mehrere Geschäftsführer müssen gemeinsam handeln, wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist nach außen nicht beschränkbar.

Die Rechtsscheinvollmachten

Die Rechtsprechung hat zwei Fallgruppen entwickelt, wonach ein Gewerbetreibender die Geschäfte eines vermeintlichen Vertreters auch ohne ausdrückliche Bevollmächtigung als bindend akzeptieren muss:

  • Der Gewerbetreibende lässt es über einen längeren Zeitraum wissentlich geschehen, dass ein anderer für ihn als Vertreter auftritt (sog. Duldungsvollmacht).
  • Der Gewerbetreibende kannte zwar das Handeln des Scheinvertreters nicht, hätte es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und verhindern können (sog. Anscheinsvollmacht).

Die Bindungswirkung für den Gewerbetreibenden entfällt nur dann, wenn der Vertragspartner nicht schutzwürdig erscheint, z. B., weil er das Fehlen der Vertretungsmacht kannte. Insgesamt führen diese Grundsätze zu erheblichen Haftungsrisiken für den Geschäftsinhaber, sodass dieser sein Verhalten jederzeit kritisch beobachten sollte. Hier gewinnen etwa die Fälle an Bedeutung, in denen ein ehemals Bevollmächtigter trotz Beendigung seines Vertrages mit dem Unternehmen weiterhin nach außen agiert oder in denen ein Angestellter sich unter Duldung des Inhabers Kompetenzen anmaßt. Um einem falschen Rechtsschein von vornherein vorzubeugen, kann der Geschäftsinhaber z. B. seine Kunden per Rundschreiben vom Erlöschen der Vollmacht unterrichten.

 

Rechtsfolgen beim Fehlen der Vertretungsbefugnis für ein konkretes Geschäft

Handelt ein Vertreter ohne die erforderliche Vollmacht, so wird der angeblich Vertretene nur dann rechtlich verpflichtet, wenn er das Geschäft nachträglich genehmigt. Verweigert er die Genehmigung, ist die Angelegenheit für ihn erledigt. Ein Schaden kann für ihn - abgesehen von den Fällen der Rechtsscheinvollmacht - nicht entstehen. Der Vertragspartner muss sich wegen etwaiger Ansprüche allein an den vermeintlichen Vertreter halten, der ihm nach seiner Wahl zur Erfüllung des Vertrages oder zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist. Die Ersatzpflicht des vermeintlichen Vertreters ist nach dem Gesetz eingeschränkt, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte. Die Haftung entfällt vollständig, sofern der andere Teil wusste oder hätte wissen müssen, dass eine Bevollmächtigung tatsächlich nicht bestand.

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